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Schönheitswahn in Beziehungen

Schöne Menschen, wohin man auch blickt: Vor allem in Film und Fernsehen, aber auch von den Titelbildern der Zeitschriften und in Online-Magazinen lachen sie uns an. Auch, wenn man nicht von Beruf Model oder Filmstar ist, möchten viele Menschen, insbesondere Frauen, es den vermeintlichen Vorbildern nachtun und investieren viel Zeit und Aufmerksamkeit in ihr Äußeres, was sich teilweise als eine Art Schönheitswahn manifestiert.

Bis zu einem gewissen Grad ist das ganz normal und es ist ja auch schön, wenn jemand etwas aus sich macht und auch noch Spaß daran hat, doch leider kann kann diese Gesinnung sich bei einigen auch ganz schnell verselbstständigen und außerordentliche Maße annehmen. Ab wann es mit dem Schönheitswahn kompliziert werden kann und was Sie dagegen tun können, lesen Sie hier.

„Moment, ich muss nur noch mal kurz ins Bad!“ Julia (34) will gerade mit ihrem Partner Simon (38) etwas essen gehen. Doch die beiden kommen einfach nicht vom Fleck. Simon hat bereits zuhause zwei Gläser Wein getrunken, während sich Julia ‚mal eben schnell fertig gemacht hat’. Nun steht er genervt an der Tür. „Du siehst super aus, was ist denn noch?“ „Ich muss noch mal die Lippen nachziehen“, antwortet Julia und verschwindet. Simon weiß jetzt schon, das wird wieder ein weniger schöner Abend im Lokal – wenn sie dann überhaupt mal angekommen sind, die Grundstimmung zumindest ist jetzt schon gereizt, weil ihm die Warterei auf die Nerven geht. Die Erwartung: Julia wird sich mindestens alles 30 Minuten mit einem Taschenspiegel versichern, ob noch alles so ist, wie es sein soll. Ist das der Fall, werden die Nachbartische dahingehend abgecheckt, ob jemand besser aussieht oder weniger isst. Julia ist wirklich eine tolle Frau, aber ihr Schönheits- und Geltungswahn nervt Simon so sehr, dass er nicht weiß, wie lange er das noch mitmacht.

Perfekt gestylt zum Date (und nicht nur zum ersten), Fitness-Studio statt romantisches Abendessen, Sex ohne Make-up geht niemals!
Natürlich ist es nicht verkehrt, auf sein Äußeres zu achten und sich zu pflegen – das gilt für Frauen und Männer – aber wenn der Schönheitswahn ein krankes Ausmaß annimmt und das soziale Leben darunter leidet, dann ist Vorsicht geboten. Schnell kann dann der Schönheitswahn bei der Partnersuche oder in bereits bestehenden Beziehungen zum Killer werden. Lesen Sie bei uns, welches erste Anzeichen sein können, was Sie beachten müssen und wie Sie zurück zu einem guten Körpergefühl ohne Extreme kommen können.

Wie entsteht eigentlich Schönheitswahn und das Gefühl, immer in allem perfekt sein zu müssen?

Die Medien erzeugen Bilder in unseren Köpfen: Nicht erst seit „Germany’s next Topmodel“ oder „Der Bachelor“ wissen wir, wie das Bild vom vermeintlich tollen Körper aussieht. In unseren Köpfen existiert das Bild vom perfekten Paar wie folgt: Er ist ein omnipotenter, vor Kraft strotzender Mann, der im Job extrem erfolgreich ist, blendend aussieht und es einfach geschafft hat. An seiner Seite eine bildhübsche junge Frau, die ebenfalls erfolgreich ist, nebenher nichts lieber macht, als Männer zu verführen und ihnen zu imponieren. Natürlich ist sie nicht ganz so schlau wie er, denn sie muss ja noch zu ihm aufschauen können. Zusammen leben sie das perfekte Leben, haben den perfekt gestylten Sex und jet-setten um die Welt.

Das Problem: Es sind immer noch vermehrt die Frauen, die sich wegen einem Mann mit dem vermeintlich geltenden Schönheitsideal unter Druck setzen lassen und alles dafür tun, immer und überall gut auszusehen. Der perfekte Körper ist in deren Köpfen immer noch schlank und durchtrainiert. Mit “mollig” oder gar “dick” verbinden die meisten einfach nicht das Adjektiv “schön”.

Die Gründe: Bei den meisten Frauen sind es, ganz klar, mangelndes Selbstbewusstsein, die Angst verlassen zu werden oder erst gar keinen Partner zu finden. Die Angst, durch eine jüngere, attraktivere Frau „ersetzt“ zu werden, der man dann natürlich nicht mehr das Wasser reichen kann.
Bei Männern überwiegt die Angst, nicht als erfolgreich wahrgenommen zu werden. Es entstehen Minderwertigkeitskomplexe. Die Außenwirkung ist ihnen sehr wichtig, und im Falle eines geringen Selbstwertgefühls wird die eigene Erscheinung mit einer bildhübschen Frau an der Seite aufgewertet und diese bekommen sie ja angeblich nur, wenn sie gut aussehen – oder zumindest Geld haben und erfolgreich sind.

Was bedeutet das fürs Flirten und die Partnerschaft?

Mit einem Wort: Druck! Es bedeutet, gleich beim Aufwachen den Gedanken zu haben, ob man gut aussieht. Die erste Aktion morgens ist dann schlimmstenfalls nicht das Ankuscheln an den Partner, sondern der Griff in die Haare oder gar der Gang ins Bad. Als Schönheitsfanatiker denkt man, dass man gar nicht anders gut beim (Flirt-)Partner ankommen kann, als von morgens bis abends perfekt gestylt. Der Flirtpartner auf der anderen Seite ist irritiert und fragt sich womöglich, ob es sein Gegenüber nur in einer perfekten Erscheinung gibt, die nie auch nur einen Makel preis gibt. Dann kann dadurch wieder Druck entstehen, weil man denkt, man müsse gleichziehen. Ein Teufelskreis, bei dem sich keiner von beiden je entspannen kann.
Doch hier ist es wichtig, zu differenzieren: Wer auf sein Äußeres achtet und das auch von seinem Gegenüber erwartet, der ist nicht gleich dem Schönheitswahn verfallen. Es ist klar, dass ein gepflegtes Aussehen für viele Frauen und Männer ein Muss darstellt: „Aussehen ist mir schon wichtig, ich lege Wert auf eine sportliche Figur und ein gepflegtes Auftreten, nicht nur bei mir. Ich finde es einfach ästhetischer, wenn mein Partner und ich optisch auf der Höhe sind, wie ich es immer nenne. Dennoch darf der Fokus darauf nicht überhand nehmen, indem das Aussehen ständig thematisiert wird und man augenscheinlich nichts anderes im Kopf hat“, sagt Anna (41).

Wo der Schönheitswahn sonst noch schwierig werden kann

Im Restaurant: Gesunde und ausgewogene Ernährung ist wichtig, das ist klar, aber wer eine eigene Wissenschaft daraus macht, katapultiert sich schnell ins Abseits. Am besten noch mit dem Kalorienrechner am Tisch sitzen und es dann bereuen, das Dessert noch gegessen zu haben, während man das Dessert des Gegenübers zumindest madig macht (Wow, DAS sind aber eine Menge Kalorien!). Was viele nicht bedenken: Oft projizieren Frauen und Männer das Verhalten im Restaurant bei einem Date auf das Sexleben, das nunmal ebenfalls mit Genussfähigkeit zu tun hat. Wenn jemand sich also sämtlichen Genüssen verwehrt und sich beim Essen nicht entspannen kann, wirkt das auf den Flirtpartner mitunter wenig anziehend. Zugegeben, diese Ess-Problematik betrifft meist Frauen. Wenn Männer davon betroffen sind, dann sind es meist akribische Sportler, die nur das essen, was ihre Leistung fördert. Beispielsweise eiweißhaltige Produkte, die den Muskelaufbau steigern.

Was kann man dagegen tun? Gesunde Ernährung und Genuss müssen sich nicht ausschließen – das gilt ganz grundsätzlich. Wenn Sie extrem auf Ihre Ernährung achten und Sie nur schwer ohne schlechtes Gewissen genießen können, bedenken Sie bitte, dass das Ihre persönliche Art und Meinung ist. So wenig, wie Sie jemand zwingen darf, fettige süße Teilchen zu essen, so wenig haben Sie das Recht, anderen ihr Dessert zu vermiesen. Umgekehrt gilt: Einen Menschen, der eine ganz eigene Nahrungsphilosophie hat, wird man nur schwer bekehren können und er fühlt sich auch nicht wohl, wenn man ihm ständig versucht, Süßigkeiten aufzuquatschen. Wenn in Sachen Ernährung die persönlichen Ansichten deutlich auseinanderklaffen, hilft nur ein Kompromiss: Man lässt den anderen, wie er ist. Vielleicht trifft man sich auch irgendwo in der Mitte: Man geht nicht unbedingt Wiener Schnitzel mit Pommes Frites essen, dafür genießt man aber gemeinsam ein kleines süßes Dessert.

Bei Unternehmungen und Freizeitaktivitäten: Wie bereits in der Einleitung angedeutet: wer Stunden im Bad benötigt, bevor es endlich los gehen kann, oder wenn Frauen sich ständig nachschminken und in den Spiegel schauen, dann macht ein gemeinsamer Ausflug einfach keinen Spaß mehr. Wenn man während eines gemeinsamen Treffens nur darauf achtet, wie man selbst und wie andere aussehen, oder wenn man selbst zum Sport perfekt gestylt das Haus verlässt, aber sofort aufhört zu laufen, wenn man Gefahr läuft, die Frisur durch ein paar Schweißperlen zu verhunzen, dann ist das schon jenseits des normalen Rahmens.

Beim Sex: Wenn man sich nicht gehen lassen kann und immer darauf bedacht ist, eine gute Figur zu machen und den Bauch einzuziehen. Das kann schnell dazu führen, dass man eine Rolle spielt bzw. sich so gibt, wie man im tiefsten Inneren gar nicht ist. Im schlimmsten Fall wird selbst der Sex zu einer Farce aus vorgespielten Orgasmen, falschem Stöhnen und einer (Sex-)filmreifen Performance, nur weil man sich zu sehr darauf konzentriert, die Superliebhaberin oder der Superliebhaber zu sein.

Gerade hier ist es besonders tragisch, wenn man sich nicht entspannen kann und nur auf die eigene Wirkung auf den Partner bedacht ist. Denn ist nicht Sex das Intimste, das zwischen zwei Menschen stattfinden kann? Sollte Sex nicht leidenschaftlich und pur sein? Und bis zu einem gewissen Grad auch gedankenlos, im Sinne von “man lässt sich gehen”? Spätestens hier wird es auf Dauer zu Problemen kommen, wenn man sich verstellt – denn der Partner spürt es, wenn man nicht wirklich bei der Sache ist. Und niemand möchte das Gefühl haben, dass man ihm etwas vorpielt.

Wenn der Schönheits- und Geltungsdrang pathologisch ist

Eine narzisstische Persönlichkeit besteht, wenn man der eigenen Person eine extrem übersteigerte Bedeutung beimisst. Dieses Verhalten wird oft Frauen zugeschrieben, da Frauen sich gemeinhin mehr mit ihrem Äußeren befassen als Männer – tatsächlich jedoch sind auch immer mehr Männer dem Narzissmus verfallen. Die übertriebene Eitelkeit, Eigenliebe und leider auch Selbstüberschätzung sind nur einige Merkmale von narzisstischen Menschen. Der Drang nach Anerkennung und die ewige Selbstverherrlichung führen nicht selten dazu, dass diese Personen zwar leicht Kontakte knüpfen, tiefere Beziehungen aber schwer möglich sind, da es Narzissten sehr schwer fällt, sich empathisch in andere Personen hineinzuversetzen, was sowohl in einer Partnerschaft als auch im Rahmen einer Affäre wichtig ist. Hierzu lesen Sie bald mehr in Ihrem LOVEPOINT-Clubmagazin.

Wo führt der Schönheitswahn hin, was kann man tun?

Schönheitswahn wird uns von unserem Umfeld und den Mitmenschen ausgelöst – das ist ein Fakt. Das beste und das schlimmste Beispiel zugleich sind die perfekten Menschen aus der Werbung, die es im echten Leben aber nicht gibt. Es liegt in der Natur vieler Menschen, sich mit anderen zu vergleichen und besser sein zu wollen als die anderen, aber dennoch: Schönheit, Glanz und Glorie sind vergänglich, was bleibt ist die Persönlichkeit – und es ist gut, wenn diese gefestigt, selbstbewusst und stark ist. Es gibt nicht wenige Menschen, die es beispielsweise bereuen, sich in ihrem Leben nicht mit weniger Oberflächlichem beschäftigt zu haben. Der Oberflächlichkeitswahn besteht nur aufgrund tieferer Ängste. Die können aber auch jederzeit angegangen werden, wenn der/die Betroffene es merkt und ändern möchte – notfalls mit Hilfe. Es ist schön, wenn man gut aussieht und sich auch pflegt, sich für die Partnerin oder den Partner schick macht, aber trotz allem soll der äußere Schein den inneren nicht überstrahlen – nur unterstützen.

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