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Mehrfach lieben: Wann wird eine Affäre zur Polyamorie?

Wird Polyamorie eine Trend-Erscheinung?

Polyamorie bedeutet, Liebesbeziehungen zu mehr als einem Menschen gleichzeitig zu haben. Was, wenn aus einer Affäre mehr wird als ein sexuelles Abenteuer und man die feste Beziehung nicht aufgeben will?

Liebe zuhause, Sex auswärts: Viele Affären funktionieren nach diesem Schema. In der Affäre werden dann vor allem erotische Bedürfnisse ausgelebt, die in der Partnerschaft zu kurz kommen. Das muss nicht nur Sex sein, sondern umfasst oft auch Zärtlichkeit und allgemein körperliche Nähe. Umgekehrt gibt es auch platonische Affären, in denen man sich auf rein emotionaler und geistiger Ebene mit einem Seelenverwandten austauscht. Und dann gibt es noch den Fall, da wird die Affäre so bedeutsam, dass man fast alles mit ihr teilen möchte. Bett und Freizeit, Hobbys und Reisen, Kochen und Kuscheln. Möchte man sich dennoch nicht vom Hauptpartner trennen, führt dies dazu, dass zwei Beziehungen parallel geführt werden. Mit allem Drum und Dran. Und tiefen Gefühlen zu beiden – oder sogar noch weiteren – Partnern. Wird dies offen ausgelebt, spricht man von Polyamorie

Was genau ist Polyamorie?

Der Begriff klingt erst mal ziemlich exotisch. Nach ausschweifendem Gruppensex und wilden Orgien, nach Partnertausch und exzessivem Bed-Hopping. Tatsächlich steht der Begriff Polyamorie für die Fähigkeit, mehrfach („Poly“) zu lieben („Amor“). Das bedeutet, dass gerade nicht das sexuelle Abenteuer, sondern auf Vertrauen und Langfristigkeit angelegte Liebesbeziehungen hier im Vordergrund stehen. Polyamoristen können mehrere Menschen gleichzeitig lieben. Eine Lebensform, die in unserer monogam geprägten Gesellschaft auf Unverständnis stößt. Dabei ist es der Gedanke doch gar nicht so abwegig: Schließlich kann jeder von uns mehrere Menschen lieben: Eltern und Geschwister, Kinder und den Partner. Das ist doch kein Vergleich, meinen Sie? Vielleicht doch. Auch Psychologen wie zum Beispiel Lisa Fischbach, Mitautorin des Buches „Treue ist auch keine Lösung“, meinen, dass neue Beziehungsmodelle für viele Paare ein wichtiges Thema sind. Warum? Weil die traditionelle Zweierbeziehung ein großes Problem hat. Sie erfüllt zwar den Wunsch nach Sicherheit und Exklusivität, steht aber unserer Abenteuerlust, Neugier und Entdeckerfreude im Wege. Da sich Freiheit und Sicherheit aber nur schwer unter einen Hut bringen lassen, bröckelt das monogame Treuemodell irgendwann. Seitensprünge oder Affären sind dann für viele Menschen eine Lösung. Entwickeln sie sich zu einer emotional tiefergehenden Beziehung, ist jedoch zu überdenken, ob fortdauernde Heimlichkeit oder aber auch die Trennung vom Partner die richtige Lösung ist. Im Modell der Polyamorie werden Liebesbeziehungen offen, also mit dem Wissen aller Beteiligten gelebt. Ein Ausweg?

Von der Affäre zur Polyamorie

Am Anfang einer Affäre geht es meist um Sex. Im Laufe der Zeit sehen sich jedoch viele Menschen mit einer Affäre danach, dass diese zu einer richtigen Zweitbeziehung wird. In vielen Fällen, weil in der eigentlichen Partnerschaft mehr als nur der Sex im Argen liegt. Weil die Affäre auch andere Defizite der Beziehung ausgleichen kann. Weil man sich vom Partner wegen der gemeinsamen Kinder und dem gemeinsam aufgebauten Leben nicht trennen will und man ihn noch liebt. Eine Affäre kann in diesen Fällen auch der Hauptbeziehung sehr gut tun, weil sie für Entspannung sorgt und Lebensfreude zurückgibt. Fairer wäre es gerade in diesen Fällen, in denen die Nebenbeziehung einen so großen Stellenwert erhält, mit offenen Karten zu spielen. Dies ist jedoch kein leichtes Unterfangen, denn nur wenige Menschen sind bereit und in der Lage dazu, polyamor zu leben.

Viel Liebe – viel Diskussionsbedarf: Chancen und Risiken von Polyamorie

Wer einen polyamore Beziehung leben will, muss sich darüber im Klaren sein, dass dies sehr viel Beziehungsarbeit erfordert. Ein ungeschriebenes Gesetz der Polyamorie lautet, im ersten Jahr grundsätzlich keine Beziehungsentscheidungen zu treffen. Denn in diesem Zeitraum wird im direkten Vergleich die neue Beziehung gegenüber der etablierten immer besser abschneiden. Erst wenn die Anfangsverliebtheit einer realistischeren Sicht gewichen ist, kann man wirklich weitsichtige Entscheidungen treffen. Und zu entscheiden gibt es sehr viel: Trennt man sich doch vom „alten“ Partner oder bleibt man zusammen? Wer wohnt wo mit wem? Sind Kinder im Spiel oder soll eine Familie gegründet werden? All dies beeinflusst die Dynamik in polyamoren Beziehungen erheblich. Dafür schenkt sie aber auch den Beteiligten eine nie gekannte Freiheit und Unbeschwertheit, befreit von den Gewissensbissen heimlicher Affären und kann ganz neue Horizonte in den Beziehungen zu anderen Menschen öffnen.

Und wie steht es mit der Eifersucht?

Klar: Auch viele polyamor lebende Menschen kennen Eifersucht. Sicher ist sie bei ihnen nicht so stark ausgeprägt wie bei anderen. Sie wissen aber, dass man Eifersucht in den Griff bekommen und sich von ihr befreien kann. Der Gewinn der Polyamorie, die Freiheit und Offenheit dieser Beziehungsform ist ihnen einfach wichtiger als die Vermeidung von Eifersuchtsschmerz durch Verzicht.

Unterstützen, kümmern, verlässlich sein

Auch wer polyamor lebt, kann sich nicht jeden Tag über eitel Sonnenschein freuen. Polyamore Beziehungen erfordern sehr viel Sensibilität und Einfühlungsvermögen. Schließlich geht es hier nicht darum, die eigenen Bedürfnisse rücksichtslos und egoistisch auszuleben. Im Gegenteil! Wenn das polyamore Beziehungsmodell funktionieren kann, dann nur, wenn jeder sehr achtsam mit den anderen Beteiligten umgeht. Das bedeutet, einen Partner, der gerade eine schwierige Phase hat, zu unterstützen. Auch mal ein Treffen sein zu lassen und die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen. Verlässliche Vereinbarungen für alle Beteiligten zu treffen, Dinge gemeinsam zu entscheiden und immer wieder neu an der Beziehung beziehungsweise den Beziehungen zu arbeiten. Dazu kann es auch gehören, einen Beziehungsvertrag auszuarbeiten und darin festzulegen, wer welche Bedürfnisse hat, was geschieht, wenn ein neuer Mensch zur Beziehung hinzukommt und wie die Hierarchien aussehen. So gibt es polyamore Verbindungen mit einer Hauptbeziehung, einer Sekundärbeziehung und vielleicht sogar noch gelegentlichen Drittbeziehungen. Da ist schon etwas Übersicht und Weitblick gefragt!

Polyamorie: Vielleicht die Beziehungsform der Zukunft?

Polyamorie hat ganz klar ihren Reiz, gerade für freiheitsliebende, offene Menschen, die auf die Exklusivität einer Beziehung nicht so viel Wert legen. Allerdings erfordert die Entscheidung für ein polyamores Leben viel Mut, gerade in einer Gesellschaft, in der Zweierbeziehung und Monogamie vorherrschen. Auf der Website polyamorie.de gibt es detaillierte Informationen zum Thema und viele Tipps für Neulinge und praktizierende Polyamoristen. Durch

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