Ghosting: Wenn Flirtpartner spurlos verschwinden

Ghosting: Wenn Flirtpartner spurlos verschwinden

Erst nett miteinander geschrieben, vielleicht schon ein Date anvisiert und dann plötzlich weg: Was durch und durch ärgerlich ist, tritt als Internetphänomen immer häufiger auf. Was es genau mit dem sogenannten Ghosting auf sich hat, warum manche Menschen einfach abtauchen und wie man damit umgeht, lesen Sie in diesem Artikel.

Es fing so vielversprechend an: Luise (41) und Ulf (47) lernten sich auf einer Online-Platform kennen. Gleich zu Beginn stimmte offenbar die Chemie. Es folgten ausgedehnte Chats und schon bald sprachen sie über das erste Treffen. Dann plötzlich meldete Ulf sich nicht mehr. Alle Nachrichten von Luise blieben unbeantwortet. Zuerst machte Luise sich Sorgen, dass etwas passiert sei. Doch als sie sah, dass er ab und zu im Chat online war, wechselten die Bedenken in Unverständnis. Hatte sie etwas falsch gemacht? Was treibt einen Menschen dazu, einfach zu verschwinden?

Plötzlich weg: Was ist Ghosting?  

Als Ghosting bezeichnet man das Phänomen, wenn Menschen in unserem Umfeld plötzlich und ohne Vorwarnung verschwinden. Vielleicht ist es dem einen oder anderen schon mal passiert, dass ein Bekannter sich einfach nicht mehr gemeldet hat, einfach von der Bildfläche verschwunden ist. Und das, obwohl man doch eigentlich ganz gut in Kontakt stand, vielleicht sogar gut befreundet war. In den letzten Jahren ist Ghosting aber vielmehr zu einem Internetphänomen geworden. Oder besser gesagt zu einem Online-Dating-Phänomen. In der Anonymität des Internets vergessen leider manche Menschen ihre guten Manieren und scheuen nicht davor zurück, sang und klanglos zu verschwinden. Vor allem Dating-Apps wie Tinder tragen durch ihr Wisch- und Wegsystem noch dazu bei, dieses Verhalten zu fördern. Eben noch heftig und charmant geflirtet und dann … NICHTS. Keine Nachrichten mehr, keine SMS, kein Anruf, keine Erklärung. Das “Opfer” sitzt da und fragt sich, was passiert ist. Manchmal scheint es fast, als hätte man sich alles eingebildet. Ein Geist? Dieser ist zumindest die Vorlage für den Begriff (Englisch: Ghost).

Wann geschieht Ghosting?

Vor allem beim Flirten und Dating ist Ghosting leider öfter an der Tagesordnung. Online, und wenn man sich noch nicht persönlich kennengelernt hat, fällt es den Ghostern besonders leicht, sich einfach nicht mehr zu melden. Aber auch im realen Leben geschieht Ghosting. Manchmal sogar auch dann, wenn man sich schon lange kennt.

Denn Ghosting reduziert sich nicht nur auf das (Online-)Dating, es kann auch in einer ganz normalen Beziehung oder Freundschaft passieren. Freunde, die sich nicht mehr melden, weil sie zu bequem sind oder in eine neue Lebensphase eintreten, zu der das alte Leben in ihren Augen nicht mehr passt. Die feine Art ist das natürlich nicht. Beziehungen sind insbesondere dann Ghosting-gefährdet, wenn Meinungsverschiedenheiten nie geklärt werden und man generell jeder Konfrontation aus dem Weg geht.

Streng genommen könnte man den Begriff Ghosting sogar auf die Arbeitswelt und den Alltag ausdehnen. Wenn man beispielsweise nach einem Bewerbungsgespräch einfach keine Rückmeldung mehr bekommt oder wenn ein netter Nachbar einfach auszieht ohne sich zu verabschieden.

Warum wird überhaupt geghostet?

Der Mensch ist oftmals bequem und Ghosting ist leider für einige der bequemste Weg, sich von einem anderen Menschen zu trennen. Für den Ghoster hat es den „Vorteil“, dass er keine Zeit in Diskussionen und Erklärungen investieren muss. Er hat für sich selbst entschieden, die Sache zu beenden, trifft aber keine Entscheidung von Angesicht zu Angesicht. Somit erfährt er auch nicht die Verletzungen des anderen. Das schont etwas sein Gewissen. Denn der Ghoster mag in der Regel keine direkte Konfrontation. Weitere Gründe, die oftmals für das Ghosting verantwortlich sein können, sind ein geringes Selbstbewusstsein, aber auch Narzissmus oder Egosimus, eine Unfähigkeit Konflikte zu bewältigen, Bindungsängste oder schlichtweg die Angst vor der Reaktion des Partners.

Eine Besonderheit bei Affären: Manchmal passiert Ghosting auch dann, wenn eine geheime Liebelei auffliegt. Wenn beispielsweise ein Ehepartner davon erfährt und dem Fremdflirtenden dann die Pistole auf die Brust setzt. Denn viele Affärensuchende tun dies, ohne dass ihr Partner davon weiß, und möchten sich auch nicht aus ihrer Ehe oder festen Partnerschaft trennen. Sie hätten sich vielleicht noch gerne gemeldet, aber mussten darauf verzichten, weil der Partner sonst umgehend Konsequenzen gezogen hätte.

Das eigene Wohlbefinden ist dem Ghoster wichtiger, als Rücksicht auf den anderen zu nehmen. Wer geghostet wird kann sich zumindest damit trösten, dass es weniger um die eigene Person geht, sondern um den Charakter der Person, die wortlos verschwindet. Aber auch, wenn ein Ghoster tiefgreifende psychische Veranlagungen hat, die für das Ghosting mitverantwortlich sind, Ghosting ist und bleibt eine feige Aktion.

Wie fühlen sich Ghosting-Opfer?

Wer ohne Vorwarnung verlassen wird, fragt sich zunächst: “Warum? Wie konnte das passieren?” oder “Was IST denn passiert?” Später kommt oft die Wut: “Wie konnte er/sie mir das nur antun? Kann er/sie mir nicht wenigstens schreiben oder anrufen?” Nicht zu wissen, warum sich jemand nicht mehr meldet, ist ein furchtbares Gefühl. “Zunächst habe ich wirklich gedacht, Ulf ist etwas zugestoßen”, sagt Luise. “Ich habe mir große Sorgen gemacht! Dann kamen erste Zweifel, vor allem, weil ich bei WhatsApp sah, dass er meine Nachrichten gelesen hat. Und auch im Chat unserer Online-Dating-Platform war er ab und zu online. Dann war ich nur noch wütend und enttäuscht!”

Wer ohne Erklärung sitzen gelassen wird, der versucht die Situation zu verstehen und grübelt über die Gründe. Begründete Entscheidungen können deutlich schneller verarbeitet und abgeschlossen werden. Ghosting führt von Sorge über Selbstzweifel nicht selten dazu, dass eine Person misstrauisch gegenüber anderen wird und schlimmstenfalls eine Bindungsangst entwickelt – die, wenn es ganz dumm läuft, sogar selbst im Ghosting gipfeln kann.

Wie reagiert man auf Ghosting?

Meist ist der beste Rat bei Ghosting, den betreffenden Menschen aus dem Leben zu verbannen. Immerhin hat er Sie schwer enttäuscht und geschockt zurückgelassen. Für die wenigsten Fälle gilt, dass Ghosting tatsächlich aus unglücklichen Umständen wie einer hilflosen Situation entsteht.

Für den Umgang mit Ghostern haben sich folgende Tipps bewährt:

  • Bitte nicht hinterhertelefonieren! Senden Sie auch keine Nachrichten über WhatsApp & Co.
  • Auf keinen Fall betteln, dass er/sie zurückkommt.
  • Nicht grübeln! Verbannen Sie den anderen aus Ihren Gedanken. Sie quälen sich sonst nur selbst.
  • Entschließen Sie sich zum endgültigen Kontaktabbruch, das hilft Ihnen die Sache abzuschließen.
  • Dabei kann Ihnen eine letzte Nachricht helfen. Wählen Sie Ihre Worte mit Bedacht, also keine Beleidigungen, und warten Sie vor allem nicht auf eine Antwort! Sollte wider Erwarten doch eine kommen, ignorieren Sie diese (es sei denn, sie erklärt wirklich aufrichtig das Verschwinden und beweist, dass es sich um eine ungewollt herbeigeführte Situation handelt).
  • Kappen Sie alle Social Media-Verbindungen.

Diese Tipps dienen im Übrigen vorzugsweise dafür, dass Sie einfacher mit der Situation zurechtkommen und Ihre Nerven schonen. Ein Mensch, der einmal ghostet, wird es wahrscheinlich wieder tun. Und es ist anzunehmen, dass es ihm wenig ausmacht, wenn Sie ihm hinterherschimpfen. Sollten Sie noch letzte Zweifel an der Umsetzung der Tipps haben, fragen Sie sich einfach, ob Sie ernsthaft mit solch einem Menschen zusammen sein wollen.

Nein zu Ghosting: Immer fair bleiben, auch wenn es nicht passt

Körbe gehören zum Dating dazu, es passt nun mal nicht immer. Das ist zwar im ersten Moment nicht toll und kurz schmerzhaft, aber doch irgendwann akzeptabel. Der durch Ghosting erlittene Schmerz ist es allerdings nicht. Ghosting ist einfach respektlos.

Ob man noch im Schriftverkehr miteinander steckt und feststellt, dass die Interessen doch nicht harmonieren oder beim ersten Date der Funke einfach nicht überspringen wollte. Seien Sie ehrlich und machen Sie dem anderen keine falschen Hoffnungen, indem Sie sich mit einem „Wir können uns gerne wiedersehen, ich melde mich!“ verabschieden. Wer den Kontakt nicht vertiefen möchte, kann im Anschluss an das Treffen oder auch schon davor eine schlichte, freundliche Nachricht senden: “Es tut mir leid, aber ich glaube es passt nicht mit uns beiden. Ich wünsche dir alles Gute, viele Grüße.”

Handelt es sich um eine Beziehung, ist selbstredend ein klärendes Gespräch erforderlich. Den anderen so behandelt, wie man selbst es für sich wünscht. Das ist ein Motto, an das sich jeder halten sollte. Denn jeder Mensch hat Respekt und eine Erklärung verdient.

Sie wurden geghostet? Ablenkung heißt das Zauberwort!

Ghostende Menschen sind es nicht wert, dass man ihnen hinterhertrauert! Nachdem Sie einen Schlussstrich gezogen haben, vergraben Sie sich nicht zu Hause und grübeln darüber, warum das Date oder die Beziehung nicht geklappt hat. Kümmern Sie sich stattdessen um Ihr Wohlbefinden und haben wieder Spaß im Leben. Treffen Sie sich mit Ihren Kumpels und Freundinnen, kümmern sich um Ihr Hobby oder probieren Sie einfach mal was Neues aus, was Sie vielleicht bisher aufgeschoben haben. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür. Und wenn es Ihnen wieder besser geht, geht es wieder auf zu neuen Dating-Ufern!

 

Ihre Irene

(Der verlorenste aller Tage ist der, an dem man nicht gelacht hat.)

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