Sie befinden sich hier: Beziehung & Partnerschaft

Living Apart Together: Aus Distanz Nähe schaffen

Mehr Nähe und entspannte Sexualität durch räumliche Distanz – was sich viele für eine feste Beziehung nicht vorstellen können, leben Paare, die das Beziehungsmodell “Living Apart Together” für sich entdeckt haben, aus. Doch ist das wirklich ein Beziehungsmodell der Zukunft? Welche Vorteile und Risiken bergen sogenannte LAT-Beziehungen?

Üblicherweise leben Paare in einer gemeinsamen Wohnung oder Haus, es sei denn sie führen ohnehin eine Fernbeziehung. Also, kurzfristig getrennte Wohnungen wegen Job/Entfernung ist für viele akzeptabel, langfristig jedoch keine ideale Lösung. Mit dem Begriff „LAT“ (Abkürzung für: Living Apart Together), was soviel bedeutet wie „zusammen leben, aber getrennte Wohnungen haben“, bietet sich für manche Partnerschaften ein ganz neues Beziehungsmodell, dass Individualität bewahrt und dennoch ein Gemeinschaftsgefühl beinhaltet. Eine positive Nebenwirkung wäre: Die Erotik hat wieder Raum zum Leben.

Doch was kann man sich unter dem Begriff Living Apart Together nun genau vorstellen? LATs lieben sich und haben Sex miteinander, wohnen aber bewusst nicht zusammen, weil sie sich ihre Freiheit und Individualität bewahren wollen. Das kann in einem Haus mit ganz viel Platz sein, wo jeder Raum für sich hat, zwei Wohnungen in einem Haus oder auch getrennte Wohnungen in der näheren Umgebung. Diese Version des Zusammenlebens ist allerdings nicht für jeden geeignet. Wem das tägliche Miteinander und Vertrautheit wichtiger sind, entscheidet sich für das Zusammenleben. Bei den jungen Leuten zwischen 18 und 27 rangiert auch heute noch das traditionelle Beziehungsmodell an erster Stelle: Sie wollen zusammenziehen und eine Familie gründen.

Living Apart Together – Ein Beziehungsmodell der Zukunft?

Das LAT-Beziehungsmodell entspricht zwar auf den ersten Blick für viele nicht dem gesellschaftlich Üblichen, sich zu lieben heißt aber doch gerade ein Modell zu finden, in dem sich beide wohl fühlen – egal, wie das aussieht. Es ist kein Zeichen mangelnder Liebe, getrennt zu wohnen und so die Alltagsbürden zu umschiffen. Living Apart Together ist vielmehr eine Art Luxus, den man wollen und sich leisten können muss. Ist das erfüllt, ist es für viele eher ein Gewinn für das gemeinsame Glück.

Getrennt wohnende Paare erleben die Liebe nicht selten erfüllter. Während bei zusammenwohnenden Paaren der geteilte Alltag dominiert, verbringen getrennt bzw. in einer Living Apart Together-Beziehung lebende Paare ihre aktiv gestaltete Freizeit miteinander. Man kann jederzeit die Handbremse ziehen und hat die Möglichkeit des Rückzugs und der Ruhe. Man muss sich nicht unbedingt sehen, wenn man gestresst von der Arbeit nach Hause kommt, Migräne oder einfach keine Laune hat, sondern gibt sich bei den Begegnungen mehr Mühe mit dem anderen. Alltägliche Diskussionen darüber, wer die Spülmaschine ausräumt, den Müll rausbringt, den Klodeckel immer offen lässt, ob der Actionfilm oder die Romantikschnulze im Fernsehen angesehen wird und dergleichen entfallen. Meistens ist es ja gerade dieser nervenzermürbende Alltagskram, der einen händeringend gen Himmel blicken lässt. Jeder kann im Rahmen einer LAT-Beziehung seinen ganz persönlichen Wohnstil pflegen und ausleben. Ob Hirschgeweih an der Wand, Antiquitäten oder IKEA-Möbel. Keine endlosen Verhandlungen in Möbelhäusern mehr. Im Laufe der Jahre entwickelt man meist auch ein paar Eigenheiten, die der Partner nicht prickelnd findet, und die sogar Auslöser für Streitigkeiten sein können: Bist du schon wieder am Putzen? Schneide die Butter von vorne an! Handtücher bügelt man nicht! Musst du in 3 Sekunden durch 7 Sender zappen? Verwöhn‘ den Hund nicht so! Warum kaufst du immer diese Billig-Eier?

Eine zu lange andauende räumliche Nähe und der ständig gemeinsam gelebte Alltag können der Tod von Erotik und Liebe sein. Weniger Routine heißt also auch weniger Langeweile. Paare, denen es nicht gelingt, Lust und Liebe im Alltag aufrecht zu erhalten, für die könnte auf Dauer solch ein Living Apart Together-Beziehungsmodell eine Lösung sein. Denn es klingt vielleicht paradox, aber: Distanz kann auch Nähe schaffen – man kann sich wieder vermissen, ein vielleicht selten gewordenes Gefühl.

Welche Gefahren lauern bei Living Apart Together-Beziehungen?

Für eifersüchtige Menschen ist diese Form des Zusammenlebens auf den ersten Blick nicht geeignet, denn gerade die räumliche Distanz verführt von Natur aus skeptische Menschen eventuell zu zusätzlichen Spekulationen. Andererseits muss man auch deutlich bemerken: Wer nicht ständig zusammen ist, der hat auch mehr Freiraum und steht der Kommunikation auch mit anderen Partnern offener gegenüber bzw. toleriert dies auch eher bei dem Partner. Viele vergleichen LAT-Beziehungen auch mit einer intensiven und dauerhaften Affäre, denn diese entsteht nicht selten aus einem großen Bedürfnis nach Nähe und Intimität, die man in der eigenen Partnerschaft vermisst. Letztendlich sind die meisten Living Apart Together-Paare sozial gut integriert und nicht nur an ihren Partner gebunden, somit ist die Gefahr, sich vom Partner abhängig zu machen, sehr gering. Natürlich sind zwei Wohnungen, die man bei einer Living Apart Together-Beziehung hat, auch ein höherer Kostenfaktor als ein gemeinsamer Haushalt. Ein weiterer Risikofaktor ist ein ungleiches Bedürfnis nach Nähe und Distanz.

Wenn Streit in der Luft liegt, sollte dieser beigelegt werden. Kommunikation ist, wie in jeder anderen Beziehung auch, das A und O. Durch getrennte Wohnungen besteht aber auch die Gefahr den Weg des geringsten Widerstands zu gehen und beleidigt in sein Reich zu flüchten.

Eine repräsentative Studie des “Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung” (DIW) zeigt: Tatsächlich trennen sich LAT-Paare häufiger als gemeinsam lebende Paare – 50 Prozent dieser Beziehungen zerbrechen innerhalb von sechs Jahren. Andererseits gilt: LAT-Paare entscheiden sich zwar häufiger für eine Trennung, aber streng genommen ist das auch gut so. Je unabhängiger Partner voneinander sind, desto leichter fällt diese Entscheidung, weil jeder weiß: „Ich schaff’s auch alleine“. In manchen Beziehungen hingegen hält man nur um der Beziehung Willen am Partner fest und macht dabei sich selbst unglücklich.

Wo findet man einen geeigneten Partner für eine LAT-Beziehung?

Grundsätzlich kann man geeignete Partner für eine LAT-Beziehung natürlich überall finden, wo man sie für andere Beziehungsmodelle auch findet. Eine besonders erfolgversprechende und unkomplizierte Möglichkeit bietet jedoch das Online-Dating. Hier kann man sich vor einem realen Treffen ausgiebig beschnuppern und gegebenenfalls auch schon ganz konkret auf das angestrebte Beziehungsmodell hinweisen.

Für welche Paare ist das Modell Living Apart Together geeignet?

Sie sind bindungsfähig, ohne auf die dauerhafte räumliche Präsenz des Anderen angewiesen zu sein, haben dabei aber ein starkes Bedürfnis nach Autonomie und möchten weniger von den Entscheidungen anderer abhängig sein. Außerdem wichtig: Ein hohes Maß an Selbstbewusstsein, sowie großes Vertrauen in den anderen und viel Flexibilität.

Das Konzept Living Apart Together funktioniert natürlich am besten, wenn keine Kinder vorhanden oder schon aus dem Haus sind. Oftmals sind es Paare jenseits der vierzig, die eine räumliche Distanz bevorzugen, vor allem, wenn eine Trennung vorausgegangen ist. Viele LATs haben bereits eine Ehe hinter sich, viele entschließen sich auch nach negativen Erfahrungen dazu oder genießen es einfach, alleine zu wohnen.

Eine der ersten ganz berühmten LAT-Beziehungen führten übrigens das Philosophen- und Schriftstellerpaar Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir sowie Woody Allen und Mia Farrow.

Ihre Irene

(Der verlorenste aller Tage ist der, an dem man nicht gelacht hat.)

 

Drucken