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Das ewige Streben nach Perfektion: Warum uns Übereifer krank macht

Viele sagen sich: „Ich will perfekt sein!“ Ob im Privatleben, in der Familie und Beziehung oder im Beruf und sozialen Umfeld – überall fühlen wir uns gezwungen, eine gute Figur abzugeben, erfolgreich zu sein und Anerkennung zu finden. Dabei hinterfragen wir selten, warum das so ist.

Vielmehr baut sich unser Hang zur Perfektion automatisch auf. Mit der Familiengründung, beruflichen Karriere, Partnersuche oder im Freundeskreis wollen wir uns stets perfekt präsentieren und erfüllen, was andere scheinbar von uns erwarten. Nicht selten aber fühlen wir uns bald ausgebrannt, erschöpft und finden uns in einer ständigen Angstspirale vor Versagen, Verlust oder fehlender Akzeptanz wieder.

Das muss nicht sein und führt im schlimmsten Falle zu gesundheitlichen und psychischen Problemen. Wir verraten Ihnen, wie Sie Ihr Streben nach Perfektion in die richtigen Bahnen lenken, Prioritäten setzen und Auswege aus dem umfassenden Dauerstress finden können.

Perfektion: Frauen und Männer sind gleichermaßen betroffen

Der Hang zur Perfektion betrifft Männer und Frauen. Bei Männern ist es oft die Führungsrolle, die sie beansprucht: die Suche nach einer Partnerin, ständige Flirtbereitschaft, die Rolle als Familienoberhaupt oder Führungskraft im Beruf. Die Frauen stehen dem Alphatier inzwischen kaum noch nach. Im Gegenteil, im Rennen um den formvollendeten Perfektionismus haben sie ihre Artgenossen inzwischen überholt.

Gerade der Spagat zwischen Familie und Karriere macht vielen Frauen Schwierigkeiten. Für beides sagen sie sich, „ich will perfekt sein“, und füllen die Rollen bestmöglich aus. Die Kinder sollen die beste Erziehung bekommen, die Karriere nicht darunter leiden, der Körper stets im Fitnessstudio und Beauty-Salon perfekt gestylt sein – und wenn sie eine Party gibt, ist frau natürlich die perfekte Gastgeberin.

Schnell füllt der Hang zur Perfektion unser ganzes Leben aus. Darin liegt das Problem – wir geben uns nicht mehr mit einfachen Dingen und dem Mittelmaß zufrieden, sondern wollen überall die Spitze erklimmen. So wie im Sport nur der Erste als Sieger gilt und der Zweite bereits ein Verlierer ist, kommt für uns auch keine „Vizemeisterschaften“ im Hausputz, bei der Diät, der Beförderung, der Partnersuche oder der Bilderbuchfamilie in Frage. Deshalb werden wir dabei oft verbissen, verkrampft und verlieren jegliche Lockerheit und unseren Humor.

Ich will perfekt sein! Aber warum eigentlich?

Beim Streben nach Perfektion werden wir von Ängsten getrieben. Wir haben Angst davor, zu scheitern oder abgelehnt zu werden, wenn wir nicht perfekt sind. Wenn wir Schwächen haben, kaschieren wir sie und verstecken sie vor unserer Umwelt. Lieber sind wir unehrlich zu uns und anderen, als zuzugeben, dass wir nicht überall der Weltbeste sind. Diese Denkweise ist ein großer Minderwertigkeitskomplex.

Jeder weiß es – hinter einem Angeber, Aufschneider, Macho oder windigem Redner und Verkäufer steckt auch nur ein Mensch mit Schwächen und Fehlern. Bei anderen fällt uns dieser übertriebene Perfektionismus schnell auf, und wir sehen sie nur noch als Parodie und lachen über sie. Bei uns selber bemerken wir die Perfektionsfalle nicht.

Dadurch stellen wir uns unnötig unter permanenten Druck. Wir sind nie zufrieden, werden ruhelos und nervös und vergleichen uns ständig mit anderen, unrealistischen Maßstäben. Hollywoodstars wie Heidi Klum, Angelina Jolie und Madonna gelten als „Superfrauen“. Sie sind erfolgreiche Künstlerinnen, vermögend, sehen immer gut aus und haben kinderreiche Familien. Dass dahinter viel Geld und unzählige Mitarbeiter stehen, vergessen wir ebenso wie die Tatsache, dass diese Ebenbilder für die Medien und Öffentlichkeit inszeniert sind.

Der Hang zum Perfektionismus ist auch Hang zur Selbstverleugnung

Noch schlimmer ist die Auswirkung des Perfektionismus auf unsere Gesundheit. Ähnlich wie bei einem stressbedingten Burnout im Beruf können wir auch im Privatleben ausbrennen, das Streben nach Perfektion trägt einen großen Teil dazu bei. Folgen wie ständige Unruhe, Nervosität, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Verspannungen, Angstzustände, Sodbrennen und Gewichtsprobleme können daraus resultieren – und sogar die Einbuße der sexuellen Lust. Der Griff zu Suchtmitteln wie Medikamenten, Alkohol, Nikotin und übermäßigen Süßigkeiten und Junk Food ist dann oft nicht weit.

Mit fünf grundlegenden Fakten können Sie lernen, dem übertriebenen Perfektionismus zu entkommen:

Stärken Sie Ihr Selbstbewusstsein! Sagen Sie sich, dass es in Ordnung ist, wie Sie sind. Seien Sie sich Ihrer Stärken bewusst und Ihrer Schwächen. Zeigen Sie diese offen und stehen Sie dazu. Denken Sie daran, dass Sie mit Fehlern und Selbstkritik auf andere viel authentischer und sympathischer wirken als eine perfektionistische Kampfmaschine, die weder Ruhe noch Humor und Ehrlichkeit ausstrahlt.

Lösen Sie sich vom Schönheitswahn! Kein Mensch muss wie Catweazle herumlaufen und Schönheit und Mode vernachlässigen – aber man muss auch nicht Karl Lagerfeld um jeden Preis gefallen wollen. Stehen Sie zu sich selber, egal ob Sie sich als zu dick, dünn, klein, rund oder hässlich empfinden. Ausstrahlung und Charme kommen über die Persönlichkeit, und weniger über das perfekte Äußere.

Sagen Sie auch mal Nein! Wer perfekt sein will, ist nicht unbedingt ein Egoist, sondern kann auch ein Altruist sein. Sie wollen es allen recht machen, überall gut ankommen und nehmen anderen gerne Arbeit ab? Lernen Sie auch mal Nein zu sagen – ob sie eine andere Meinung vertreten, gerade keine Zeit haben oder sich nicht wohl fühlen. Begründen Sie es ehrlich und haben Sie keine Angst davor, Kritik oder Unverständnis einzufangen.

Werden Sie sich Ihrer eigenen Wünsche und Ziele bewusst! Sie müssen nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Überlegen Sie sich, was für Sie mehr oder weniger wichtig ist. Setzen Sie Prioritäten, schreiben Sie eine persönliche Reihenfolge auf und überlegen Sie, auf was Sie verzichten können. Bleiben Sie dabei realistisch und planen Sie für alles die nötige Zeit ein.

Nehmen Sie sich Auszeiten! Planen Sie regelmäßige Entspannungs- und Ruhezeiten ein. Auch das Formel-1-Siegerauto von Sebastian Vettel fährt regelmäßig in die Boxengasse und gönnt sich eine sekundenlange Pause. Räumen Sie sich persönliche Boxenstopps frei – ob für Genuss, Entspannung, Sport, Hobbies oder genügend Schlaf. Wenn es Ihnen schwerfällt, auf „Knopfdruck“ zu entspannen, können Sie es lernen. Yoga, autogenes Training, Meditation und spezielle Entspannungs- und Atemtechniken können Ihnen dabei helfen.

Seien Sie einfach mal unperfekt!

Vielleicht werden Sie etwas Zeit benötigen, Ihr Leben vom Perfektionswahn zu „entrümpeln“. Grundsätzlich ist es in Ordnung, wenn Sie in dem einen oder anderen Bereich Ihres Lebens einen Hang zur Perfektion haben und z.B. viel Wert auf ein modisches Erscheinungsbild oder eine blitzblanke Wohnung legen.

Versuchen Sie aber nicht in allen Bereichen Ihres Lebens nach Perfektion zu streben, denn damit machen Sie es sich unnötig schwer und verlieren Ihre Lockerheit, Ihren Humor und Ihre wahre Persönlichkeit. Diese sollten Sie nicht verstecken, denn ein Mensch mit Ecken und Kanten kommt im Allgemeinen viel authentischer an als jedes inszenierte Ebenbild eines krampfhaften Perfektionismus.