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Keine Lust auf Sex: Ehe ohne Leidenschaft

Keine Lust auf Sex ist tödlich für eine Beziehung

Ehe ohne Leidenschaft trifft emotionales Aushungern – so oder so ähnlich würden doch einige Frauen und Männer ihre Situation beschreiben, wenn man sie nach dem Status ihrer Beziehung fragt. Monate- oder gar jahrelanges Nebeneinanderherleben ist oft zermürbend und kann früher oder später zu ernsthaften Problemen führen, vor allem dann, wenn ein Partnerteil besonders darunter leidet. Keine Lust auf Sex und fehlende Zuneigung sind pures Gift für eine Beziehung.

„Und, wie läuft es bei Euch so?“ Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach, wenn nach Jahren die Routine in die Ehe Einzug gehalten hat. Vielleicht würden Sie am liebsten antworten: „Wenn Du so fragst, also bei uns läuft gar nichts mehr, die Luft ist raus, im Bett herrscht seit Monaten Ebbe und selbst der letzte innige Kuss oder gar die letzte wirklich enge Umarmung ist Lichtjahre her.“ Die tatsächlich Antwort lautet dann aber wohl meistens: „Ach ja, ganz ok, und bei Dir?“
Zugegeben, das Thema ist heikel und darüber reden natürlich doppelt, aber auf Dauer lässt sich so ein Zustand nur schwer ertragen. Man weiß, dass fehlende Zuneigung in der Ehe oder festen Partnerschaft für viele Frauen und Männer ein großes Problem ist. Zumindest derjenige, der in einer Partnerschaft immer wieder abgewiesen wird, leidet sehr darunter.

Wenn Zärtlichkeiten und Sex ausbleiben

Routine nennt sich dieses stigmabehaftete, fiese Wort, das eine Beziehung beschreibt, die nicht mehr viel zu bieten hat. Im Job mag Routine von Vorteil sein, wenn jeder Handgriff sitzt, dann mindert das die Fehlerquote, aber in einer Ehe bedeutet das mitunter das Aus. Denn Routine geht meist einher mit dem Fehlen von Sex, Zärtlichkeiten und vielleicht sogar Liebe. Oft sind Leiden und Zermürbung vorprogrammiert, wenn sich der Zustand nicht irgendwann wieder ändert.
Durststrecken sind völlig normal, ein wesentlicher Grund dafür ist der Alltag. Sei es beispielsweise eine bestimmte Zeit in der Schwangerschaft der Frau, die Zeit kurz nach der Geburt, oder auch extrem stressige Phasen, in denen kurzfristig das Beziehungsleben hinten anstehen muss, oder eine Phase der Krankheit. Das alles hält eine Beziehung, in der Zärtlichkeiten und Lust nicht zu kurz kommen, in der Regel locker aus. Grundlegend ist aber auch hier ein achtsamer Umgang mit dem Partner.

Gibt es jedoch an und für sich keine Gründe für das Ausbleiben von Sex in der Beziehung, kann die Partnerschaft extrem darunter leiden. Dabei ist fehlender Sex meist nicht das Schlimmste, noch zermürbender empfinden viele Frauen und Männer das „emotionale Aushungern“. Wenn der Partner einem das Gefühl gibt, man sei nichts mehr Wert, nicht mehr begehrenswert oder man wird nicht mehr geachtet und geliebt, dann führt dies zur Isolation und Entfremdung. Martin (45) erzählt: „In meiner Beziehung fühle ich mich schon lange latent unglücklich und weiß keinen Ausweg mehr. Meine Frau verweigert mir schon sehr lange jegliche körperliche Nähe und Zärtlichkeiten. Ich weiß nicht mal mehr, wann wir das letzte Mal Sex hatten. Ich habe schon vieles probiert, weil wir uns doch immer noch lieben. Ich habe das Gespräch gesucht, sie zu einem romantischen Wochenende überredet, Verwöhn-Abende eingeführt oder versucht sie zu entlasten, wo es nur ging. Und ich pflege mich sehr. Das alles hat nichts genutzt! Rein objektiv betrachtet führen wir eine harmonische Ehe. Wir haben zwei wundervolle Kinder und streiten uns nicht. Wir sind perfekt organisiert und führen ein gutes Leben – zumindest nach außen. Ich begehre sie immer noch, aber immer, wenn ich dann doch mal einen Vorstoß gewagt habe, um mit ihr intim zu werden, kam ich mir dabei wie ein Straftäter vor, so teilnahmslos wie sie da lag. Natürlich habe ich dann abgebrochen, was hätte ich tun sollen?“

Leider kennen dieses Problem sowohl Frauen als auch Männer – und noch dazu beginnt hier ein Teufelskreis: Keiner möchte das Gefühl haben, dass der Partner etwas nur ihm zuliebe über sich ergehen lässt. Frust und Verzweiflung wachsen, und Fragen wie „was ist schief gelaufen?“ oder „liebt mein Partner mich nicht mehr?“ bestimmen die Gedanken. „Psychische Kastration“ das ist es, wovon manche Männer nach Jahren der Abweisung sprechen. Dabei sind fehlende Zuneigung und Sexmangel in der Beziehung keinesfalls Probleme, die nur Männer betreffen – im Gegenteil: Beim Online-Dating beispielsweise ist die Zahl der Frauen, die ein außereheliches erotisches Abenteuer oder eine Affäre suchen, in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Für Frauen ist es besonders schlimm, wenn in der Partnerschaft die Nähe fehlt und sie keine Aufmerksamkeit vom Partner mehr bekommen. Wohlgemerkt: All diese Frauen und Männer haben meist schon alles versucht. Sie haben mit ihrem Partner über ihr Anliegen geredet, haben ihm ihre Gefühle mitgeteilt, gesagt, dass es so nicht mehr weitergehen kann – und manchmal sogar ein Ultimatum gestellt. Wenn dann der Partner nicht darauf eingeht, weiß man keinen Rat mehr. An diesem Punkt machen sich manche dann Gedanken, wie sie ihr Dilemma auf eigene Faust lösen können.

Sexlos in der Beziehung: Was kann man tun, wenn alles nichts hilft?

Zunächst scheint die Situation in einer Partnerschaft, in der körperliche Nähe fehlt, für viele ausweglos: Man möchte den Partner nicht verlassen, oft auch nicht wegen den gemeinsamen Kindern, dem Haus oder dem sozialen Umfeld, das dann auseinander zu brechen droht. Trotzdem steht oft irgendwann die Frage im Raum: Trennen oder nicht? Diese Entscheidung muss jeder individuell treffen, denn die begleitenden Umstände sind oft viel zu komplex, vor allem wenn Existenzen damit verknüpft sind. Trennung ist eine Option, muss es aber nicht sein, denn eventuell kann man sich mit anderen Beziehungsmodellen arrangieren.
Wie heißt es so schön, man bereut nicht, was man gemacht hat, sondern was man nicht gemacht hat. Eine offene Beziehung anzustreben kann für manche Paare eine Option sein, für andere ist es eine geheime Affäre oder eine andere Möglichkeit, sein Grundbedürfnis nach Zuneigung und Intimität außerhalb der bestehenden Beziehung zu stillen.

Offene Beziehung, Affäre oder gar  käuflicher Sex?

Eine offene Beziehung erfordert viel Vertrauen in den Partner und eine stabile Beziehung ohne Eifersuchtsdenken. Es kann sein, dass der Partnerteil, der rein körperlich kein Interesse mehr am anderen hat, es sogar begrüßt, wenn der andere seine Lust anderweitig auslebt und er damit nicht mehr “bedrängt” wird. Kommt jedoch Eifersucht ins Spiel oder fühlt der Partner sich am Ende gar – Achtung, paradox – vernachlässigt, kann es in einer offenen Beziehung ungemütlich werden.

Manche überlegen in ihrer Verzweiflung, ob sie „professionelle“ Unterstützung holen und eine entsprechende Dame oder einen Herren für Sex bezahlen. Für den Moment mag das für manche Frauen und Männer ein spannender Gedanke sein: einfach mal abschalten, sich verwöhnen lassen und vor allem die Zärtlichkeiten bis hin zum Orgasmus spüren. Das große Problem: Schneller, käuflicher Sex verschafft nur einen kurzfristigen Druckabbau, danach fühlt man in der Regel leerer als zuvor. Denn für die meisten ist es ja wie gesagt nicht nur der Mangel an Sex, sondern es fehlt auch die Nähe an sich, das Prickeln, wenn man sich gegenseitig näherkommt und Streicheleinheiten oder auch mal ein gutes Gespräch jenseits der Horizontalen. Käuflicher Sex ist hingegen vollkommen emotionslos.

Dann vielleicht schon eher eine Affäre: Der Affärenpartner hat meist „das gleiche Problem“ in der Ehe oder Partnerschaft und somit können sich beide das geben, was dem jeweiligen Gegenüber fehlt. Das ist meist eine deutlich befriedigendere Lösung, auch wenn selbst eine dauerhafte Affäre sich in der Regel im Geheimen abspielt und somit auch ein paar Vorsichtsmaßnahmen zu treffen sind, damit die Affäre auch geheim bleibt.

Wenn das Problem gelöst ist, steigt für viele die Lebensqualität

Martin hat die Situation folgendermaßen gelöst: „Ich habe den Zustand unserer Beziehung lange irgendwie ertragen, aber irgendwann ging es dann einfach nicht mehr. Ich habe meine Frau damit konfrontiert. Ich habe ihr gesagt, wie es ist: Ich kann und mag nicht mehr, und wenn es so weiter geht, kann ich auch nicht garantieren, dass ich zu einer anderen Frau gehe und mir dort die Zärtlichkeiten hole, die ich dringend brauche, um nicht irgendwann total zu verkümmern. Zu meiner Überraschung folgte dann endlich ein langes und intensives Gespräch. Meine Frau hat mir verständlich gemacht, dass sie mich versucht zu verstehen, aber sich momentan einfach keinen Sex wünscht und es für sie auch eher eine Belastung darstellt. Daher hat sie mir auch erlaubt, sexuelle Beziehungen zu anderen Frauen zu pflegen. Die Auflagen ihrerseits: sie möchte nichts davon mitbekommen, die Frauen sollten ebenfalls verheiratet oder in Partnerschaft sein und genau das Gleiche suchen wie ich. Damit konnte ich leben. Mittlerweile treffe ich eine Frau regelmäßig, jedoch nicht mal so häufig. Aber es reicht mir schon, weil die Zeit, die wir miteinander verbringen, unglaublich innig und aufregend ist.“

Eine Ehe ohne Sex und Zärtlichkeiten ist ein Problem, dem sich mehr Frauen und Männer stellen müssen, als man denkt. Es kann vermeintlich lange gut gehen, aber dauerhaft schädigt es die Beziehung und macht unglücklich. Es ist die alte Leier, aber es stimmt nun mal: Es anzusprechen, ist die einzige Möglichkeit, wie man etwas daran ändern kann. Und wenn das nichts hilft, findet sich ein individuell anderer Weg. Niemand muss auf Dauer unglücklich sein und auf Nähe und Intimität verzichten.

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